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Positive Leadership in der Praxis: Was Führungskräfte von der Positiven Psychologie lernen können

„Menschen verlassen keine Jobs. Sie verlassen Chefs.“

Ein Satz, der oft zitiert wird – und trotzdem noch nicht genug ernst genommen wird. Denn in der Praxis entscheidet Führung nicht nur über Leistung, sondern über das gesamte psychische Wohlbefinden eines Teams. Genau hier kommt die Positive Psychologie ins Spiel – ein Feld, das weit mehr ist als nur „positiv denken“.


Seit mehreren Jahren begleite ich Führungskräfte in internationalen Unternehmen und erlebe dabei immer wieder: Die besten Leader kennen nicht nur ihre Zahlen, sondern auch ihre Wirkung auf Menschen. Sie führen mit Klarheit – und mit Menschlichkeit. Und das ist kein Zufall, sondern oft das Ergebnis eines stärkenbasierten Führungsansatzes. Wer Menschen führen will, muss sie verstehen. Und wer sie wirklich verstehen will, darf sich mit ihrer Motivation, ihren Stärken und ihrer inneren Haltung beschäftigen. Genau hier bietet die Positive Psychologie einen kraftvollen, wissenschaftlich fundierten Zugang.

Positive Leadership – mehr als nur gute Stimmung im Team

Positive Leadership ist kein Feelgood-Trend, sondern ein tief verankerter Führungsansatz, der auf den Erkenntnissen der Positiven Psychologie basiert. Anders als klassische Führungsmodelle, die oft defizitorientiert arbeiten (z.B. Was läuft schief?), richtet sich der Blick hier auf das, was bereits funktioniert – und wie man es gezielt kultivieren kann.


Im Zentrum steht das sogenannte PERMA-Modell von Martin Seligman, das fünf zentrale Faktoren für menschliches Wohlbefinden beschreibt: Positive Emotionen, Engagement, Relationships (Beziehungen), Meaning (Sinn) und Accomplishment (Leistung). Positive Leadership überträgt diese Prinzipien auf den Unternehmenskontext – und zwar nicht als „Add-on“, sondern als integralen Bestandteil der Führungsarbeit.


Was heisst das konkret im Führungsalltag?

In meiner Arbeit mit internationalen Teams erlebe ich häufig, dass viele Führungskräfte intuitiv bereits Elemente dieses Ansatzes nutzen – ohne es so zu benennen. Sie loben gezielt, führen wertschätzende Gespräche oder erkennen individuelle Talente. Doch ohne eine bewusste Haltung dahinter, bleiben diese Massnahmen punktuell – statt systemisch wirksam zu sein.


Ein zentraler Baustein in der Praxis ist die Fokussierung auf Stärken. Wer seine Mitarbeitenden gezielt dort einsetzt, wo sie nicht nur kompetent, sondern auch motiviert sind, schafft nicht nur höhere Leistung, sondern auch tiefere Verbundenheit. In Feedbackgesprächen zum Beispiel lässt sich diesbezüglich eine einfache Frage stellen: „Was fällt dir leicht – und erfüllt dich gleichzeitig?“ Diese scheinbar simple Frage öffnet Räume für Potenzial, die in klassischen Leistungsbeurteilungen selten sichtbar werden.


Auch das Thema Feedback verändert sich unter dem Blickwinkel der Positiven Psychologie grundlegend. Es geht nicht um oberflächliches Loben, sondern um authentisches, aufrichtendes Feedback, das konkret benennt, was gut war und warum. So wird Feedback zur echten Entwicklungsressource – und nicht zur blossen Pflichterfüllung.


Darüber hinaus spielt Sinnstiftung eine zentrale Rolle. Menschen wollen verstehen, wofür sie arbeiten. Gerade in Zeiten von Transformation und Unsicherheit kann das Gefühl, zu etwas Grösserem beizutragen, enorm stabilisierend wirken. Positive Leader schaffen Verbindung – nicht nur zu Zielen, sondern zu einem tieferliegenden „Warum“.


Emotionen als Führungskompetenz

Eine oft unterschätzte Komponente von Führung ist der Umgang mit Emotionen – sowohl den eigenen als auch jenen im Team. In vielen Unternehmenskulturen gelten Gefühle noch immer als störend oder „privat“. Doch emotionale Intelligenz ist keine Schwäche, sondern eine Schlüsselkompetenz moderner Führung. Wer als Führungskraft präsent ist, zuhören kann und Spannungen früh erkennt, verhindert Eskalationen, stärkt das Vertrauen und schafft Raum für Offenheit. Das wiederum ist die Grundlage für psychologische Sicherheit – ein Faktor, den erfolgreiche Teams laut Googles „Project Aristotle“ als entscheidend für ihren Erfolg benennen.


Positive Leadership ist kein Tool – sondern Haltung

Positive Führung beginnt nicht bei Methoden, sondern bei der inneren Haltung. Es geht um die Entscheidung, Menschen nicht als Ressourcen, sondern als Mitgestaltende zu sehen. Um die Bereitschaft, sich selbst zu reflektieren, statt nur andere zu bewerten. Und um den Mut, menschlich zu führen – auch wenn es manchmal unbequem wird.


Diese Haltung ist lernbar. Nicht über Nacht, aber Schritt für Schritt. In Trainings, in Reflexionsräumen, im gemeinsamen Austausch. Und sie zahlt sich aus: Unternehmen, die auf stärkenorientierte Führung setzen, berichten von höherer Mitarbeiterbindung, sinkenden Fehlzeiten und gesteigerter Innovationskraft. Doch noch wichtiger: Sie erleben eine Kultur, in der Menschen nicht nur funktionieren – sondern aufblühen – eine sogenannte People-First Unternehmenskultur.


Führung ist Beziehung

Ob international oder lokal, ob Konzern oder Start-up – überall dort, wo Menschen gemeinsam arbeiten, braucht es echte Verbindung. Positive Leadership liefert kein Patentrezept, aber eine klare Richtung: Weg vom Defizitblick, hin zu Potenzialentfaltung. Weg von Kontrolle, hin zu Vertrauen. Und vor allem: Weg vom reinen Funktionieren – hin zu echter, menschlicher Wirksamkeit.


Wenn du selbst Führungskraft bist oder Verantwortung für Teams trägst, dann ist jetzt ein guter Moment, dir diese Frage zu stellen: Welche Spuren hinterlässt meine Führung – bei mir selbst, und bei anderen? Die Antwort darauf kann der Beginn einer neuen Art von Führung sein. Einer, die nicht nur erfolgreich – sondern auch erfüllend ist.

 
 
 

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