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Gesunde Arbeitsplätze: Es ist an der Zeit, über das System zu sprechen, nicht nur über die Symptome

Tauchen wir ein in pure Rebel-Energie und hinterfragen den Status quo!


Wenn über mentale Gesundheit am Arbeitsplatz gesprochen wird, liegt der Fokus oft auf dem Individuum: Resilienz aufbauen, Achtsamkeit üben, Stress managen. Dann kommt der Führungsperspektive: empathisch führen, psychologische Sicherheit schaffen, gesunde Grenzen vorleben. Ja, all das ist wichtig. Aber wenn wir hier stehenbleiben, übersehen wir das grössere Bild.


Denn keine noch so intensive Atemübung kann ein kaputtes System reparieren. Kein Leadership-Workshop kann strukturelle Überlastung ausgleichen. Und kein:e Mitarbeitende:r kann sich „resilient“ aus einer über 45-Stunden-Woche herausmanövrieren.


Wenn wir die mentale Gesundheit am Arbeitsplatz wirklich verbessern wollen, müssen wir hinschauen, wie Arbeit selbst gestaltet ist – die Systeme, Strukturen und Normen, die unsere tägliche Realität leise prägen.

Burnout ist kein individuelles Versagen oder ein Mangel an Fähigkeiten zum Stressmanagement. Oft ist es eine systemische Reaktion auf chronische organisatorische Belastungen. Wenn die Arbeitsstrukturen unausgewogen sind, werden selbst die motiviertesten, achtsamsten und bestunterstützten Menschen Schwierigkeiten haben, gesund zu bleiben.


Statt die Menschen endlos zur Anpassung aufzufordern, sollten wir also die Architektur der Arbeit selbst betrachten – und wie sie zu emotionaler Erschöpfung, innerer Distanzierung und mentaler Müdigkeit beiträgt.


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Hier sind einige der häufigsten – und behebbare – strukturellen Herausforderungen, die die mentale Gesundheit am Arbeitsplatz still untergraben:


1. Chronischer Personalmangel und unrealistische Arbeitslasten

Wenn „mehr mit weniger“ zum Normalzustand wird, ist Burnout vorhersehbar. Lean-Management mag auf dem Papier effizient wirken, hinterlässt die Menschen aber chronisch überlastet, ohne Erholungszeiten und kaum Spielraum für Kreativität oder Fehler. Langfristig schwächt das Engagement und treibt Fluktuation – genau das Gegenteil von nachhaltiger Leistung.


2. Mangel an Ressourcen und fehlerhafte Prozesse

Zu oft investieren Mitarbeitende mehr Energie ins Navigieren von Arbeitsprozessen als ins tatsächliche Arbeiten. Ineffiziente Systeme, unklare Rollen und veraltete Tools erzeugen kontinuierliche Reibung, die Motivation und mentale Kapazität raubt. Es geht hier nicht um individuelles Stressmanagement – es geht um organisatorisches Design. Prozesse zu verbessern ist mentale Gesundheitsarbeit.


3. Kontinuierlicher Wandel und Instabilität

Anpassungsfähigkeit ist bis zu einem gewissen Punkt gesund. Aber wenn „Transformation“ nie endet, wird sie zum Chaos. Ständige Umstrukturierungen und wechselnde Ziele erzeugen Unsicherheit und Erschöpfung, untergraben das Gefühl von Kontrolle – ein zentrales psychologisches Grundbedürfnis. Stabilität ist kein Gegensatz zu Agilität; sie ist die Voraussetzung für nachhaltige Veränderung.


4. Leistungsdruck und toxische Kennzahlen

Wenn Erfolg nur an Output oder Arbeitsstunden gemessen wird, wird Wohlbefinden zum Kollateralschaden. High-Performance-Kulturen verschwimmen oft zwischen Engagement und Selbstaufopferung. Das Ergebnis? Menschen arbeiten trotz Erschöpfung weiter, um ihre Wertigkeit zu beweisen – bis Körper oder Geist einen harten Stop einfordern. Eine gesunde Kultur definiert Leistung in Ergebnissen und Regeneration.


5. Fehlende psychologische Infrastruktur

Selbst in gut gemeinten Organisationen hängt mentale Gesundheit oft vom guten Willen ab, statt von klaren Strukturen. Wenige Unternehmen haben etablierte Verfahren für mentale Krisen, Burnout-Reintegration oder Anpassungen. HR-Teams fehlen häufig Ressourcen oder Training, um angemessen zu reagieren. Ohne Rahmen improvisieren selbst empathische Führungskräfte dort, wo Expertise nötig wäre.


6. Always-On-Erwartungen

Technologie sollte Arbeit erleichtern, nicht endlos machen. Doch E-Mails, Chats und Benachrichtigungen verwischen Grenzen, sodass „Flexibilität“ oft „permanente Erreichbarkeit“ bedeutet. Nachhaltige Leistung erfordert systemische Normen für digitale Pausen – nicht nur persönliche Disziplin.


7. Ungleichheit und Inklusionslücken

Nicht zu vergessen die mentale Belastung, die mit Vorurteilen oder Ausgrenzung einhergeht. Mitarbeitende aus marginalisierten Gruppen investieren oft zusätzliche emotionale Energie, um gehört oder sicher zu sein. Ohne aktiv inklusive Strukturen riskieren Wohlfühl-Initiativen, bestehende Ungleichheiten zu verstärken – zum Vorteil derjenigen, die sie am wenigsten brauchen.


Die Wissenschaft bestätigt es

Es geht hier nicht um „weiche Skills“ oder nette Benefits – es gibt solide Belege. Forschungen über Branchen hinweg zeigen: Organisationsstruktur und -kultur beeinflussen direkt mentale Gesundheit, Engagement und Mitarbeiterbindung.


  • Eine Längsschnittstudie in BMC Public Health (2024) fand heraus, dass Mitarbeitende, die wiederholten organisatorischen Veränderungen ausgesetzt waren, deutlich höhere psychosoziale Risiken und schlechtere mentale Gesundheit berichteten als solche in stabilen Umgebungen.

  • Eine Studie zu Change-Fatigue (2023) zeigte, dass ständige Umstrukturierungen und wechselnde Prioritäten Burnout und Fluktuationsabsichten erhöhen und gleichzeitig die Bindung reduzieren.

  • Untersuchungen unter Finanzfachleuten in Korea zeigten, dass Leistungsdruck stark mit Depression, Angststörungen und sogar Suizidgedanken korreliert – ein echtes Gesundheitsrisiko, kein Motivationsinstrument.

  • Eine Studie im Journal of Occupational Health fand heraus, dass ein unterstützendes Arbeitsklima Stress und Burnout senkt und gleichzeitig Bindung und Arbeitszufriedenheit verbessert.

  • Während der Pandemie zeigten chilenische Unternehmen mit etablierten Healthy Organizational Practices (Flexibilität, klare Kommunikation, Entwicklungsmöglichkeiten) höheres Engagement und geringeres Burnout als jene ohne diese Strukturen.


Das Muster ist klar: Sind Systeme ungesund, leiden Menschen – sind Systeme gesund, gedeihen Menschen und Performance.


Also, wie geht es weiter?

Mentale Gesundheit am Arbeitsplatz zu verbessern bedeutet nicht nur, Menschen widerstandsfähiger oder Führungskräfte netter zu machen. Es bedeutet, Systeme zu gestalten, die Menschen nicht krank machen.


Ein mental gesunder Arbeitsplatz integriert drei Ebenen:


  • Individuum: Selbstwahrnehmung und Bewältigungsstrategien stärken

  • Führung: Empathie, Sicherheit und Vertrauen fördern

  • Systemisch: Faire, menschenzentrierte Strukturen schaffen, in denen Menschen gedeihen können


Echtes Wohlbefinden basiert nicht nur auf Resilienz. Es entsteht in Arbeitsplätzen, die nicht dauernd Resilienz verlangen, nur um zu überleben.


Gesunde Arbeitszeiten als Teil mental gesunder Arbeit

Gesunde Arbeit bedeutet nicht nur ein gutes System, sondern auch ein gesundes Mass an Arbeitszeit. Forschungen zeigen: Eine 35–40-Stunden-Woche gilt für die meisten Erwachsenen als tragbar und kann als gesunde Obergrenze betrachtet werden – sofern Pausen und Erholungszeiten eingehalten werden, Arbeit als sinnvoll und kontrollierbar erlebt wird und eine gute Balance möglich ist.


Die WHO und ILO haben in einer gemeinsamen Studie festgestellt, dass mehr als 48 Stunden pro Woche über längere Zeit das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Burnout deutlich erhöht. Menschen, die 55 Stunden oder mehr pro Woche arbeiten, haben ein um 35 % höheres Risiko für Schlaganfälle und ein um 17 % höheres Risiko für koronare Herzkrankheiten im Vergleich zu denen, die 35–40 Stunden arbeiten.


Diese Zahlen machen deutlich: Nachhaltige mentale Gesundheit entsteht nicht nur durch Achtsamkeit oder Resilienz, sondern auch durch klare Strukturen und Grenzen, die Überlastung verhindern.


Bei Well-being Rebel glauben wir: Mental Wealth beginnt dort, wo Systeme den Geist unterstützen, statt belasten. Echte gesunde Arbeitsplätze entstehen nicht durch Resilienztraining oder Wellness-Boni allein – sie entstehen, wenn wir die Art und Weise, wie wir arbeiten, führen und zusammenarbeiten, neu gestalten. Mentale Gesundheit ist kein „Nice-to-have“ – sie ist strukturelle Notwendigkeit.


Hören wir also auf, Menschen zu sagen, sie sollen härter werden, und fragen wir stattdessen, was unsere Organisationen tun können, um die Last zu verringern. Hier beginnt echtes Wohlbefinden. So bauen wir Arbeitsplätze – und Zukünfte – die mental reich sind.


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