Thema Resilienz: Was stimmt wirklich?
- Nicole Ardin
- 22. Aug.
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 26. Aug.
Wenn es um psychische Gesundheit geht, taucht ein Begriff fast immer auf: Resilienz. Sie wird oft als das Zauberwort gehandelt, wenn es darum geht, mit Stress, Krisen oder schwierigen Lebensumständen umzugehen. Doch gerade weil Resilienz in aller Munde ist, ranken sich auch viele Mythen und Missverständnisse darum. Lass uns mit diesen Mythen rund ums Thema Resilienz ein und für alle mal aufräumen.
Was Resilienz nicht ist
Vielleicht hast du solche Sätze im Zusammenhang mit Resilienz auch schon gehört:
„Wer psycisch krank wird, war eben nicht resilient genug.“
„Wer belastet ist, muss sich einfach mehr anstrengen.“
„Ein starkes Mindset reicht aus, um jede Krise zu meistern.“
Solche Aussagen mögen auf den ersten Blick motivierend klingen und oft auch so gemeint sein – allerdings sind sie schlicht falsch und stigmatisierend. Sie machen aus Resilienz ein Allheilmittel oder, noch schlimmer, eine Art Wertungsskala für Menschen: Wer resilient ist, gilt als stark und erfolgreich. Wer psychisch erkrankt, wird automatisch als „nicht stark genug“ abgestempelt.
Die Realität: Selbst äusserst resiliente Menschen können psychisch erkranken. Resilienz schützt nicht vor Belastungen – sei es ein Trauma, chronischer Stress oder Krankheit –, sondern unterstützt uns dabei, nach Krisen wieder Stabilität zu finden. Belastungen können die vorhandenen Schutzfaktoren übersteigen, so wie ein starkes Immunsystem eine schwere Infektion nicht automatisch abwehrt.
Resilienz ist kein Wundermittel
Falsche Vorstellungen von Resilienz können sogar schaden:
Sie erzeugen Druck, immer stark sein zu müssen.
Sie lassen uns glauben, Hilfe sei ein Zeichen von Schwäche.
Sie übersehen, dass äussere Faktoren wie Arbeitsbedingungen, gesellschaftlicher Druck oder finanzielle Unsicherheit die psychische Gesundheit massiv beeinflussen.
Praktische Resilienzförderung bedeutet daher: Ressourcen stärken, Unterstützung nutzen und auf sich selbst achten – Schritt für Schritt, ohne Anspruch auf Perfektion. Es geht nicht um Selbstoptimierung, denn wir sind Menschen, keine Roboter. Es geht daher auch nicht darum, jede Krise zu meistern, sondern sich realistisch zu stabilisieren und langfristig handlungsfähig zu bleiben.

Was Resilienz wirklich ist
Resilienz ist also keine Superkraft und auch kein Allheilmittel gegen Stress. Resilienz bedeutet übrigens nicht, in jeder Situation ruhig zu bleiben – das ist Selbstregulation, und die ist zwar hilfreich, aber nicht dasselbe wie Resilienz. Aber was ist Resilienz denn tatsächlich? Wissenschaftlich gesehen beschreibt sie die Fähigkeit, sich nach belastenden Ereignissen zu stabilisieren, anzupassen und im besten Fall gestärkt daraus hervorzugehen.
Resilienz ist also keine Superkraft und auch kein Allheilmittel gegen Stress. Aber was ist Resilienz denn tatsächlich? Wissenschaftlich gesehen beschreibt sie die Fähigkeit, sich nach belastenden Ereignissen zu stabilisieren, anzupassen und im besten Fall gestärkt daraus hervorzugehen.
Wichtig dabei: Resilienz ist kein festes Persönlichkeitsmerkmal, sondern ein dynamischer Prozess. Sie entsteht durch das Zusammenspiel von inneren Faktoren – wie Optimismus, Selbstwirksamkeit und Problemlösefähigkeiten – und äusseren Faktoren, etwa stabile Beziehungen, soziale Unterstützung oder faire Lebensbedingungen. (Masten, 2001; Luthar, Cicchetti & Becker, 2000)
Flexibilität ist ein zentraler Bestandteil: Resiliente Menschen sind nicht unerschütterlich, sondern können sich an veränderte Bedingungen anpassen und Strategien entwickeln, um Herausforderungen zu bewältigen. Auch belastende Erfahrungen, wie Trauma oder chronischer Stress, können die vorhandenen Schutzfaktoren übersteigen – das bedeutet, dass selbst sehr resiliente Personen Unterstützung brauchen oder zeitweise aus dem Gleichgewicht geraten können. (Bonanno, 2004)
Ein weiterer wichtiger Punkt: Resilienz kann trainiert und gestärkt werden. Achtsamkeit, regelmässige Selbstfürsorge, soziale Netzwerke oder gezielte Trainingsprogramme zeigen wissenschaftlich nachweisbare Effekte auf die psychische Widerstandskraft. (Robertson et al., 2015; Joyce et al., 2018)
Kurz gesagt: Resilienz bedeutet nicht, dass Krisen spurlos an uns vorbeigehen, sondern dass wir lernen, Belastungen zu verarbeiten, uns zu erholen und unsere Ressourcen – innen wie aussen – gezielt zu nutzen.
Peer-Erfahrung: Resilienz im echten Leben
Selbst Experten, die seit Jahren mit psychischer Gesundheit, Achtsamkeit und Resilienz arbeiten, erleben immer wieder belastende Phasen. Kleines Beispiel aus eigener Efahrung gefällig?
Auch mit meinem langjährigen, geballten Wissen rund um Psychologie, Resilienz und Achtsamkeit, kenne ich Phasen der Angst, Momente, die mich überfordern und Panikattacken, die mich seit meiner Jugend begleiten. Das bedeutet jedoch nicht, dass ich als Mensch schwach oder „nicht resilient genug“ bin. Resilienz zeigt sich vielmehr darin, wie wir uns von diesen Momenten erholen, wieder Stabilität finden und unsere Kraft zurückgewinnen.
Dieses Beispiel verdeutlicht: Resilienz bedeutet nicht, dass wir nie überfordert sind und sie ist auch kein permanenter Zustand, den man einmal erreicht und dann immer bei sich trägt. Sie ist ein Prozess, der uns befähigt, aus Belastungen wieder aufzustehen, uns zu stabilisieren und weiterzugehen – Schritt für Schritt, auch nach Rückschlägen.
Wie kann ich meine Resilienz im Alltag stärken?
Resilienz lässt sich gezielt fördern – mit kleinen, umsetzbaren Schritten. Dabei geht es nicht um Perfektion oder darum, immer stark zu sein. Auch Rückschläge, Scheitern oder schwierige Phasen gehören zur Resilienz: sich von einem Tief zu erholen, ist genau das, worauf es ankommt.
1. Eigene Ressourcen erkennen und aktivieren
Welche inneren Stärken, Unterstützer:innen, Hobbys oder Routinen haben dich in der Vergangenheit durch schwierige Situationen getragen – egal, ob du dabei in deinen Augen gescheitert bist oder nicht? Notiere sie, um sie in stressigen Zeiten gezielt abrufen zu können.
2. Soziale Verbindungen pflegen
Freund:innen, Familie oder Kolleg:innen bilden ein stabiles Netz. Kurze Check-ins oder Kaffee-Dates wirken oft Wunder – es ist okay und sogar wichtig und gesund, sich auch in Krisenzeiten Unterstützung zu holen.
3. Selbstfürsorge-Rituale einbauen
Pausen, Atemübungen, Spaziergänge oder abendliche Rituale schaffen regelmässig kleine Inseln der Erholung. Selbst kleine Schritte zählen – Resilienz entsteht durch Kontinuität, nicht durch Heldentaten.
4. Perspektive wechseln
Fragen wie „Was kann ich jetzt beeinflussen?“ oder „Was habe ich schon geschafft?“ helfen, Handlungsfähigkeit zu spüren. Anerkenne auch, was nicht gelungen ist – und dass du trotzdem wieder handlungsfähig wirst.
5. Professionelle Hilfe nutzen
Therapie, Coaching oder Selbsthilfegruppen sind keine Zeichen von Schwäche, sondern wirkungsvolle Unterstützung. Auch das ist ein Ausdruck von Resilienz: sich rechtzeitig Hilfe zu holen.
6. Körper und Geist im Einklang halten
Bewegung, Schlaf und Ernährung wirken massiv auf unsere psychische Widerstandskraft. Schon kleine Veränderungen, wie tägliche Spaziergänge oder ausreichend Schlaf, stärken die Fähigkeit, sich von Belastungen zu erholen.
Fazit
Resilienz ist wertvoll und wichtig, aber kein Allheilmittel
für ein Leben ohne Krisen oder psychische Erkrankungen. Sie ist keine Messlatte für den Wert oder die Stärke eines Menschen, sondern eine Fähigkeit, die wir individuell und gesellschaftlich fördern können.
Wichtig: Resilienz zeigt sich nicht nur in Erfolgen, sondern auch darin, wie wir mit Misserfolgen umgehen. Jede Phase, in der wir uns erholen, wieder aufstehen und weitermachen, ist ein Beweis für Resilienz.
Je mehr wir Missverständnisse und Stigmata rund um Resilienz abbauen, desto realistischer und hilfreicher können wir psychische Gesundheit unterstützen – Schritt für Schritt, ohne Superheld:innen-Ansprüche.




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